Die Wege um Binnen- und Außenalster zählen zu den Top10 der schönsten Laufstrecken Deutschlands
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Das sind ja jede Menge Vorschusslorbeeren - machen wir uns doch mal ein Bild. Da ich ja schon gut auf Betriebstemperatur war und auch mit ordentlichem Endorphinspiegel, lief ich auch gleich zügig los. Pulsmesser hatte ich vorher abgelegt - der irritiert nur.
Ich tauchte ein in die Parkwege der Außenalster. Es war eine einzige Party. Mit Zelten der größten Hamburger Tria Vereine (witzigerweise gehört auch der FC St. Pauli dazu), jeder Menge Zuschauer, Groupies mit Schildern etc. Es war eine große Party Community. Feiern und sich selbst feiern lassen. Hier konnte man nicht kontrolliert und langsam laufen!
Auch die feinere Hamburger Gesellschaft gab sich mit Schampus und Häppchen vor einer großen weißen Villa die Ehre. " Wollen wir tauschen?", rief ich rüber. "Nee", kam es etwas distinguiert zurück. Ok! Eigentlich wollte ich auch gar nicht tauschen. Dieser Augenblick auf der Stecke, auf dem Weg zum Finish war so viel besser...
Der Wendepunkt der Laufstrecke bei ca. 5,5km war erreicht. Ich wagte einen ersten Blick auf die Uhr
: oops, 28 min, knapp über 5er Schnitt. Das ist ja ein bisschen schnell. Aber auch gleichermaßen so befriedigend. Es läuft, es geht Dir gut - lebe den Augenblick, das kann Dir hier keiner mehr nehmen. Auf dem Rückweg konzentriere ich mich darauf, Ronni zu erspähen. Er war vielleicht 10 min hinter mir, sah gut aus. Kurz vor Ende der 1. Runde gabs die Bändchen, die anzeigten, wieviel Runden man schon absolviert hatte. Endlich hatte ich auch mein erstes
Ein kurzer Blick auf die mir vertraute Rathausuhr - ich hatte mein Polster weiter vergrößert.
Welches Polster? Na ja, im Vorfeld macht man sich ja doch Gedanken für eine mögliche Zielzeit, wenn alles glatt läuft. Bei mir waren das realistische 12:30h (1:30 schwimmen, 6:30 Rad, 4:30 Lauf), dazu noch ca. 15 min Wechselzeiten. Nach Schwimmen und Rad war ich ja voll unter Plan, dann diese bombastische 1. Runde in 55 min. Es rückt so langsam die magische 12 ins Blickfeld. Auch ein Marathon sub4 ist in Reichweite….
Träumereien! Halt den Ball flach und konzentriere Dich auf die 2. Runde. Ich sehe Anne (Biba) an der Strecke, für einen Fotostopp habe ich keine Zeit. Ich möchte wieder in die Partyzone eintauchen. Viele der Mitstreiter haben nun schon in den Lauf/Geh-Modus umgeschaltet. Andere wandern nur noch, aber haben schon 1 Bändchen mehr als ich. Ich fliege praktisch an ihnen vorbei. Am Wendepunkt Blick auf die Uhr. Es ist langsamer geworden, war ja klar. Aber immer noch unter 5:30er Pace. Ich freue mich auf das Ende der 2. Runde und den HM Split. Sabine und Hossi an der Strecke geben mir Kraft. Der HM ist in 1:53h absolviert – auf zur 3. Runde, meiner „Schmerzrunde“.
Mein Plan war, so lange wie möglich ohne Gehpausen auszukommen und einfach weiter Kilometer zu sammeln. Aber langsam wurde es dann doch etwas zäh. Die doch spürbare Wärme, die Sonne und die knapp 10 Stunden, die man hier schon sein Sonntags-Workout betreibt, machen sich bemerkbar. Noch klappt die Verpflegung ordentlich. Ich kann die Mischung aus Wasser und Gels aufnehmen, ohne dass der Magen etwas dagegen hat. Aber der Schritt wird kürzer. An den Verpflegungsstellen (6 an der Zahl auf der 10,5km Runde) fange ich nun doch an zu gehen. Ohne dass ich mich dagegen wehren kann und will. Blick auf die Uhr am Wendepunkt bei 26,5 – die Gehpausen zerren am Schnitt. Nur noch knapp unter 6:00 aktuelle Pace. Ich kann es nicht ändern. Aber, es sind ja auch nur noch knapp 16km und ich kann noch laufen.
Auf dem Rückweg ist für meinen Magen die Grenze erreicht. Es rumort und ich kann kein Gel mehr nehmen. Es folgt ein längerer Aufenthalt auf dem Dixie, aber die Pause tat doch irgendwie gut. Im wahrsten Sinne erleichtert mache ich mich auf die letzten km - 14 sind es noch. Das Anlaufen fällt nun richtig schwer. Die nächste Verpflegung versuche ich auf Cola oder Iso umzusteigen. Cola (nicht gerührt!) geht gar nicht, Iso so halbwegs. Dazu noch salzige Cracker. Das 3. Bändchen ist nun meins. Meine Uhr ist gnadenlos und zeigt für den ¾ Marathon knapp 3 Stunden, die Runde in 1:06h. Die Sub4 im Marathon ist damit wohl passe. Die Rathausuhr ist gnädiger und gibt mir für die sub12 noch 1:12h. Auf geht's!
Ein letztes Mal also noch die von Runde zu Runde immer steiler werdende Lombardsbrücke hoch, durch den Tunnel, rein in den Park, weiter, immer weiter! Ich sehne den Wendepunkt herbei – bin 11:25h unterwegs. Jetzt geht’s heimwärts. Es sollte reichen. Ein letzter Blick hinüber zum heranstürmenden Ronni – er hat mächtig Boden gut gemacht. „See you at the finish line!“ Die letzten 3 Verpflegungspunkte fliege ich gefühlt vorbei, brauche nur noch Wasser zum Kühlen. Der Rathausturm, meine große Konstante für diesen Tag, kommt immer näher. Durch den Tunnel an die Binnenalster. Ich höre den Lärm des Zielkorridors. Das letzte Bändchen ist nun meins – ich klatsche die Volunteers ab. Nur noch ein kurzer Schwenk durch eine ruhige Seitenstraße. Dann steht sie vor mir wie ein Monument – die Finish Line. Ich darf gerade aus laufen, auf den roten Teppich. „Alexander, you are an Ironman!“ ruft der Moderator. „Yes!!!“. Ich klatsche den Moderator ab, sehe nur noch den Zielbogen vor mir, laufe wie in Trance. Inmitten der voll gefüllten Tribünen haben sich Hossi und Anne gute Plätze gesichert und feiern mich. Ich reiße die Arme hoch, überquere die Ziellinie. Die Medaille bekomme ich von Foxi. Der kann mich erst nicht zuordnen, aber nach dem Stichwort „Hübi Forum“ machte es klick.
Es dauert nicht lange, dann kommt Ronni mit breitem Grinsen in den Zielkanal. Wir klatschen uns ab, umarmen uns und lassen die Szenerie noch etwas auf uns wirken. Dann geht’s ab in den „Athletes Garden“. Die heiße Dusche tut richtig gut, auch die Nudel-Reis Suppe und das Finisher Bier. So richtig hungrig sind wir nicht. Es ist außerdem schon ziemlich kühl geworden, und der Wind pfeift um die St. Petri Kirche. Hoffentlich dauert der Bike Check-Out nicht allzu lange. Nein, dank toller Organisation geht alles zügig und reibungslos. Wir nehmen die U-Bahn zu Ronnis und Tinas Hotel, trinken noch ein Absacker Bier. Es ist alles noch so unwirklich, wie in einer Parallelwelt. Die schöne Medaille mit der Elbphilharmonie als Motiv ist aber nicht zu leugnen...
Ja, es ist wahr! Die 7 monatige Vorbereitung mit über 4000 Rad km, 1400 Lauf km und ca. 100 Schwimm km (im Schnitt 12h die Woche zur Vorbereitung) haben sich ausgezahlt und zu einem Rennen ohne nennenswerten Einbruch und dazu noch mit 11:54h in einer Sub12 Traumzeit geführt. Ist das noch zu toppen? Ich habe meine Zweifel. Am nächsten Vormittag, auf der Finisher Party, kann man sich für nächstes Jahr anmelden – „early bird“ für schlappe 515 € + 8% „activity fee“. Ich überlege nur kurz und gehe dankend am Registrierungsstand vorbei…
Was bleibt?
Der Ironman Hamburg feierte ein großartiges Debüt. Die sonst so unterkühlten Norddeutschen zeigten sich sportbegeistert und als Party People. Die Organisation und die vielen Helfer, die teilweise einen noch längeren Tag hatten, waren sensationell. Der menschliche Körper ist ein Wunderwerk, sowohl auf der physischen als auch auf der psychischen Ebene.
Ich hoffe, Ihr habt alle bis hierher durchgehalten. Für mich war das Schreiben ein toller Weg der Selbstreflexion, um alles in Worte zu fassen
Liebe Grüße
Alex