Re: Hotti
von Hotti » 02.06.2022, 23:44
Ein Tag, nicht wie jeder andere
Jeder Tag hat 24 Stunden, die können lang andauern oder wie am heutigen Donnerstag wie im Fluge vergehen. Was ist geschehen? Wir, das sind Rainer, Gert und der hiesige Schreiberling (die Männer zuerst, weil doch in der Minderheit) und die holde Weiblichkeit Hildegard, Kristina, Marion und Marita. Wieder Sieben. Diesmal besonders, die Glückseligen, wie sich erst im Laufe des Tages herausstellen sollte, obwohl die Vorboten bereits recht verheißungsvoll waren. Der Plan nämlich war, unserem Laufgeschehen fernab von Berlin zu frönen. Auf die Idee, mitten in der Woche einmal in Leipzig zu laufen, käme wohl niemand, der keine direkte Beziehung zu dieser bemerkenswert weiterhin aufstrebenden Stadt hätte. Ich gestehe, an mir ist ein Achtel Berlin verlorengegangen, und dieses ist jetzt in der Peripherie dieser Stadt angesiedelt, sprich Wochenendhaus, aber nix da von wegen Datsche, viel eher „Kleines Paradies“.
Nun bin ich nicht LUZIFER, der Mephistopheles (besser bekannt als Mephisto aus Goethes Faust), der Leute verführt und Bösartiges im Schilde führt. Ganz im Gegenteil. Mir lag im Sinne, die wunderbare Natur rund um Leipzig herum einmal meinen Lauffreunden*innen etwas näher zu bringen, einen kleinen Einblick zu geben, dass auch andernorts unser gemeinsames Metier zum Tragen kommen kann. Gesagt, getan. Start Berlin frühmorgens 8:00 Uhr, 167 km, 1:40 Std/Min. Punktgenau.
Angekommen, rein in die Trainingssachen, schon sind wir unterwegs. Hier jetzt eine Beschreibung der Laufstrecke zu geben, würde zwar meiner Chronisten-Pflicht zur Genüge reichen, jedoch wenig Verständnis bei den Kenntnisnehmer*innen wecken. Darum nur kurz wie ein Tätigkeitsbericht: Los ging`s in Leipzig-Stahmeln, durch Rapsfelder, über die weiße Brücke der Weißen Elster, alsbald in den Schlosspark Lützschena, danach wieder Felder, ehe der Hintere und der Leipziger Stadtforst erreicht ist. Hier geht es nicht um Kilometerschrubben. Ein reiner Genusslauf.
Ehe wir an der alten Luppe (ein Flüsschen) in einen richtigen Auwald einbiegen. Menschenleer, nicht einmal Gassigänger samt Vierbeiner treffen wir. Nach 8 km erreichen wir den Auensee, den wir natürlich umrunden müssen, weil dort nämlich eine Parkeisenbahn verkehrt, die sehenswert ist. Zu unserer Zeit ruht der Betrieb noch, wir hatten ohnehin nicht die Absicht, die 1,7 km-Strecke per Waggon auf dem Schienenweg zurückzulegen, schließlich ging es ums Laufen. Und das war abwechslungsreich, denn der sogenannte Auenwald ist ein ehemaliges Überschwemmungsgebiet der Weißen Elster, der Luppe und der Nahle, die den Außenbezirken im Nordwesten der Stadt mehrmals stark zugesetzt hatten: Landunter. Dem ist man mit großem Aufwand entgegengetreten, hat Staubecken, ein Flutungswehr gebaut und die Luppe fast vollständig eingedeicht. Alles interessant zu sehen, auch dass die Natur sich diesen wichtigen Maßnahmen über die Jahre bestens angepasst hat.
Auf dem Rückweg befinden wir uns auf dem Deichkamm, der eine radwegbreite Asphaltdecke trägt und haben eine herrliche Aussicht auf das gesamt Flussgelände. Ganz nebenbei erwähne ich, dass wir uns auf der Rennstrecke des Mitteldeutschen Marathons befinden (Leipzig – Halle am 09.10.2022), ehe wir uns dem natürlichen und sehr windungsreichen Verlauf der Weißen Elster nähern. Bald ist der Lauf überstanden, denn die 12,6 km bei herrlichem Wetter und die Aussicht auf ein gutes Frühstück ließen keinerlei Missmut zu.
Und wer so freudig ein völlig neues Laufgefühl hinter sich gebracht hat, darf sich auch zusätzlich belohnen.
Rauf aufs Wasser. Ja, wirklich, Leipzig ist eine Wasserstadt. Wer die Stadt kennt und nichts weiß vom Wasser, war in Wirklichkeit nie da. Leipzig an der Pleiße hieß es früher einmal. Ach herje, dieses kleine Rinnsal lässt nicht einmal kleinste Bötchen zu. Wir aber packten uns einen Elektroschiffer namens Patrick genau an der Galopprennbahn am Elsterstaubecken und begaben uns mit ihm auf Teile der Elsterwasserwege und des Karl-Heine-Kanals. 90 Min.
Leipzig ist umgeben von vielen Seegebieten, die aus der Re-Naturisierung aus den ehemaligen Abbaugebieten (Kohle, Ton, Kies) gebildet wurden. Und schließlich gibt es noch den Elster-Saale-Kanal, der allerdings nie die Bedeutung bekam, die ihm eigentlich zugedacht war (Verbindung zur Saale/Elbe), 19 km, davon 11 km fertiggestellt. Bau bereits 1942 eingestellt. Das Wasser ist immer noch da.
Unser Skipper machte es hervorragend, wir schwebten völlig lautlos übers Wasser, unterquerten mit eingezogenen Köpfen zahlreiche Brücken, stießen in die ehemaligen Industriegebiete vor, die allesamt durch eine herausragende Architektur aufmerksam machen. Heute allerdings ist das Viertel längst in ziemlich teures Wohngebiet umgewidmet. Der Wandel hier wie anderswo.
Wir hörten zahlreiche Anekdoten aus vergangenen Zeiten und erlebten am Hafen ein Baugebiet, das die Stadt weiter attraktiv machen wird. Leipzig hat den Aufbruch abgehakt und ist jetzt dabei, sich im oberen Bereich der Wendegewinner zu etablieren, wenn nicht gar zu den führenden deutschen Städten aufzuschließen.
Unser abschließendes „Berliner“- essen (oh, was habe ich da angerichtet?), natürlich muss es heißen, Pfannkuchen) endete dieser tolle Tag in L. Was Laufen so alles ins Laufen bringen. Manchmal hält man es nicht für möglich.
Horst
P.S. Fotos kommen, wie immer etwas später