Seufzerkraut und Schnupfenbutter
„Ich brauch‘ Tapetenwechsel, sprach die Birke und macht sich in der Dämmerung auf den Weg“, sang einst die vielgeliebte, manchmal auch geschmähte, jedoch unvergessene Hildegard (Hildchen) Knef in einem ihrer Chansons, die bald Kult-Charakter bekamen. Das war noch vor dem Jahrtausendwechsel in den 80/90er Jahren und noch weit davor. Das kam mir in den Sinn, um meine „Flucht“ aus dem Alltäglichen, zumindest für 10 Tage zu begründen. Und diese Flucht ist zudem nicht nur meine, sondern auch einzig derjenigen, die ich seit inzwischen mehr als zwanzig Jahren stets auf ihren Reisen begleiten darf. Ihr könnt euch vorstellen, wie saugut es mir geht!
Wo sind wir nach meiner vorherigen Planung in der noch nicht zu Ende gegangenen „Winter“zeit gelandet? Nur wenige Kilometer südwärts von Berlin (780 km) im durchaus nicht verschlafenen Ort Schladming/ Steiermark. Das ist da, wo sich im Jänner Jahr für Jahr an einem Wochenende Todesmutige in eine Abfahrt stürzen, die da heißt Planai. Genauer gesagt, kommen dort nur die schnell-stärksten Skifahrer, vom Nordkap bis zum Südpolarkreis gesehen, zusammen, um, ja wirklich, nur um den Unterschied zwischen ihnen in hundertstel Sekunden ausgedrückt auf der 3,5 km langen Strecke mit 1.079 m Höhenunterschied festzustellen, weil es ein Höllenrennen ist. Allein der Zielhang ist extrem steil und spektakulär (52%). Und das alles zur Nachtzeit.
Für Klein Fritzchen wie unsereins ist das allerdings auch ein besonderes Leckerli, zwar ohne Zuschauergebrüll, nicht zur Nachtzeit, aber doch mit dem Kitzel, es am helllichten Tage den Cracks gleichgetan zu haben. Nun gut, wir gucken nicht auf die Uhr und nehmen den einen oder anderen Schwung statt der direkten Steilabfahrt, aber runter ist runter und heil ankommen sowieso.
Nun fragt sich inzwischen die kleine Forum-Welt, was dieses ganze Gedöns nun mit unserer Lauferei zu tun hat. Das frage ich mich nun auch, weil auch die Überschrift noch keine Verheißung auf Sportliches verspricht. Und doch ist gerade in Um-Sechs-Ecken-Denken-Kategorien eine gewisse Hinführung, ja, Spannung möglich, die geradeausführende oder noch schlimmer linear berichtete Ereignisse bzw. Begebenheiten nicht aufweisen. Sach-/zweckdienliche Hinweise bitte nur bei Kripo oder anderen frageberechtigten Institutionen abgeben. Bei mir ist alles frank und frei, nach eigenem Gusto.
Diese Steilabfahrten ersetzen in gewisser Weise vollends das ausgefallene Lauftraining in der hiesigen Woche. Und außerdem war gestern Mittwoch, also lauf-, aber nicht Skilauffrei. Wir haben nämlich in die täglich fast 40 Abfahrtskilometer auch jeweils Pausen eingebaut. Kaiserschmarrn, Palatschinken, Apfel- und Topfenstrudel, nicht vergessen Germknödel, sind kleine Beigaben in Behausungen auf Bergeshöhen, die zugereiste und aktive Menschen unserer Sorte als sinnvolle Ergänzung zum normalen Ernährungsbedürfnis ansehen. Um nicht vollends vom Süßkram und gemeinhin vom "Hüttenzauber" vereinnahmt zu werden, fiel mir eine Kräuter“pädagogik“-Seite in die Hand, die von einer Dame im noch-nicht-Oma-Alter auditiert war. Die Überschrift lautete, jawohl, siehe Titel: SEUFZERKRAUT UND SCHNUPFENBUTTER: Zu Deutsch (das übrigens alle Ansässigen hier noch immer sprechen) Dost und Majoran. Dost, selbst bei mir im Garten als langstielige „Unkraut“blume vorhanden, lässt sich als Balsam verarbeiten, aufs Butterbrot schmieren oder als Gewürz den Nudeln beigeben. Das soll helfen, Kummer (Seufzer) zu erleichtern. Und wilder Majoran in Butter kann ebenso als Einreibemittel bei Erkältungen verwandt werden (Brust, Nase, Rücken). Aufpassen: Butter kann zwar ranzig werden, die Nase trieft nicht weiter.
Eine Erklärung, wie Muskelkrämpfe, Zerrungen oder Vermeiden von Faserrissen mittels Kräuterauflagen, Tee oder Balsam vermieden werden, wird für unsere Spezie leider, leider nicht geliefert. Dabei hätten wir das im fortgeschrittenen Alter und ich im Besonderen viel nötiger als ein ärztlich verschriebenes Rezept oder den Glauben an Ernährungszusatzstoffe. Ich glaube weiterhin stark an Selbstheilungskräfte, Ernährung so gut es geht und gelegentlich auch an die eine oder andere Sünde.
Laufen ist gewiss keine davon, nämlich genau das Gegenteil. Ab nächste Woche wieder.
Horst
P.S. Hildchen (Knef) würde fragen: "Kann denn Liebe Sünde sein?" Dagegen stelle ich fest: "Sünde kann auch Liebe sein!"