Wohl auf den Hund gekommen
Vor einigen Wochen hatte ich ein freundliches Gespräch mit einem Nachbarn. Rein zufällig begegneten wir uns, während ich mich beim ersten Laubfegen vor der Haustür bewegte, wollte er trotz Augenkontakt mit einem Handwinken und den hingeworfenen Worten „Sie haben`s gut“, was wie ein Gesprächsangebot klang, an mir vorbeischleichen. Meine Antwort darauf „Na, Sie doch auch“ traf ihn nur noch am Hinterkopf, was aber wohl ausreichte, dass er sich umdrehte und wir unversehens ins Reden kamen. Von wegen nur Frauen würden tratschen, wir zwei Männer (also Nichtfrauen!) wohl in dem Augenblick nicht minder. Jetzt ernsthaft: Das Gespräch drehte sich zunächst natürlich um das Thema Gesundheit, wobei jeder seine derzeitigen Zipperlein in epischer Breite vortrug, bis wir uns zunächst unterschiedlichster Meinung, dann doch einig waren, dass körperliche Bewegung vielfach dazu beiträgt, etliche Wehwehchen zu lindern oder gar von vorn herein nicht aufkommen lässt.
„Schön und gut“, fand der Nachbar und weiter „aber Sport, wie bei Ihnen, ist nicht so mein Ding.“ Das konnte ich ihm ansehen, denn die Kugel, die er vor sich herschob, kam nicht von ungefähr. Klar, wer viel sitzt, es immer überaus bequem liebt und dazu noch gut und gerne isst, landet sehr schnell in der Rubrik „Übergewicht“. „Springen Sie doch hobbymäßig, ohne Sportambitionen, allmorgendlich in oder um den See“ (der vor der Haustür liegt!)". Mein Appell für`s Wasser kam wohl einen Monat zu spät, denn der diesjährige, bei uns schöne Herbst war bereits in vollem Gange und die Wassertemperaturen sanken in den Bereich, der für Warmduscher denkbar ungeeignet ist. Also jetzt schon Beginn der winterlichen Eiszeit, obwohl es seit etlichen Jahren keine feste Eisdecke, geschweige denn Schnee, die zum Schlittschuhlaufen und Rodeln geeignet wären, gegeben hat? Ein vermeintliches Überzeugs-Ass hatte ich noch im Ärmel.
„Was halten Sie davon, wenn Sie am besten zwei-, dreimal in der Woche eine Runde um die Krumme Lanke drehen? Das sind von Haus zu Haus 3 – 3,5 km, in angenehmen Schritt-Tempo“ Die prompte Antwort: „Das ist mir zu langweilig.“ „Und in Gemeinschaft?“, „Schon gar nicht, ich will nicht verpflichtet sein.“ --- Ääh – bis mir die Idee kam: „Sie sollten einen Hund nehmen, dann müssen Sie dreimal am Tag nach draußen und wenigstens eine abgespeckte oder meinetwegen für „Waldi, Purzel oder Tarzan“, die jedweder Rasse angehören, auch eine Pipi- Runde in Kauf nehmen! Und Sie sind in Aktion.“ Seine daraus folgende Mimik und das Signal weiterzugehen, beendeten den kurzen Plausch.
Einige Tage später erhielt ich unverhofft einen Anruf: „Das haben Sie davon, der Hund ist da, noch etwas scheu, aber raus muss er und ich mit ihm. Ein Versuch.“
Inzwischen sind tatsächlich schon etliche Tage vergangen. Hund und Spaziergänger sind täglich unterwegs, es scheint zu funktionieren. Wenn jetzt noch das vorhandene Hüftgold sich beim „Bekehrten“ verringern würde, meine Güte. Bin ich nun Missionar, der stets andere zum neuen Glauben verhelfen will? Mit Sicherheit nicht, denn jeder soll nach seiner eigenen Façon selig werden, sagte schon der Alte Fritz. Hält die Erkenntnis und der Beweg(ungs)grund an und wird damit eine positive Veränderung der Lebenssituation gewonnen, dann ist das ein Zeichen von Aufgeschlossenheit beim Angesprochenen und für mich als zufälliger Ratgeber, eine Bestätigung, dass selbst ein vermeintlicher Tratsch durchaus Nützliches bewirken kann.
Die Begegnungen sind nicht häufig, aber wenn, dann gibt es ein fröhliches Handwinken oder es kommt zumindest ein netter Gruß. Gespräch? Nicht unbedingt, der Mann muss ja voran - mit seinem Hund. Sein wahrscheinlich täglich mehrfacher Lauftreff. Volltreffer.
Horst