SpickzettelManchmal, da überkommt es mich. Entweder greife ich zum Handy, um irgendetwas zu knipsen oder der Kuli notiert etwas, wenn er in meiner Hand liegt. Meist jedoch klimpere ich nach Heimkehr auf der Tastatur des Laptops, weil Spontanes sofort notiert werden muss. Besteht doch sonst die Gefahr des Vergessens und des Nichtwiederfindens. Und so ist es auch mit den Aktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände, unterwegs, meist fern jeder Bebauung. Der Beweggrund, dies festzuhalten, sind zwei fotografierte Hände gefüllt mit ein paar Beeren.**)
Und dazu: Ja, es gibt sie noch, die selbst gesammelten Blau-, Heidel- und Rauschbeeren, statt aus dem Regal im Supermarkt. Leider nicht mehr in Berlin wie einstmals, obwohl doch reichlich Wald und im nahen Brandenburg jede Menge Heidelandschaft anzutreffen ist. Früher, in Kindheitstagen (gefühlt vor 100 Jahren), konnte die mitgeführte Ein-Liter-Aluminium-Kanne in 1-2 Stunden locker im Tegeler-/Hermsdorfer Forst mit den Beeren gefüllt werden. Heute stehen, wenn man Glück hat, nur noch vereinzelt Büsche der genannten Arten in Wald und Flur. Da muss man erst in die Ferne (Tirol) reisen, um dieses Kindheitserlebnis aufzufrischen.
Die dicken blauen Brummer, die es heutzutage bei Aldi, Lidl, Rewe und Co, und zwar fast ganzjährig (!), zu kaufen gibt, sind keine echten Naturprodukte, sondern entstammen schlichtweg der Retorte: Gewächshaus hoch drei mit Besamung. Und überhaupt, was alles unter dem „Mäntelchen des Gesunden“ angeboten wird, erscheint oft reichlich zweifelhaft. Dass wir im Winter Erdbeeren kaufen können und das Angebot an Tropenfrüchten nahezu ganzjährig vorhanden ist, ist der globalen Wirtschaftsausrichtung „zu verdanken“. Eigentlich nicht, denn auch hier geht es darum, Bedürfnisse zu wecken, Geschäfte zu machen. Dabei ergibt sich zwangsläufig die Frage, ob wir das unbedingt brauchen: Himbeeren ja, aber im Februar?
Warum nicht alles zu seiner Zeit? Geht wohl nicht, siehe Weihnachten. Kaum sind die Sommerferien vorbei, liegen die ersten Lebkuchen, Domino-Steine und die ersten Christstollen in den Regalen. Vergessen ist die Adventszeit im Dezember (oder auch die vorverlegen?), wenn bereits im September die Bunten-Teller-Füller als Sonderangebot sichtbar werden. Mein Credo von diesem Jahr an und bis auf Weiteres: Kauf-Blockade und, jawollll !, Selbermachen zur richtigen Zeit, schmeckt außerdem zehnmal besser.
Was steht denn noch auf meinem Spickzettel? Den brauche ich stets, weil ich ursprünglich als endsechziger Berufsaussteiger alternativ zum untalentierten Hausmann mutierte. Ja, glaubt es mir, ich konnte nicht kochen, selbst Wasser brannte bei mir an. Mein Glück bestand darin, lesen zu können! Nach fast zwanzig Jahren brauche ich die ca. 25 Kochbücher nun nicht mehr, höchstens wenn partout kein Einfall kommt. Zur größten Ehre gereichte mir ein Ausspruch eines Vollblut-Berliners, der inzwischen fahnenflüchtig in Westfalen lebt, als er meine Koch-„Künste“ mit der Bemerkung lobte: „Mir ist überhaupt nicht schlechtgeworden.“
Na bitte, könnte ich sagen, geht doch. Und irgendwie ist da etwas dran, wenn unterschwellig und mit Süffisanz mitgeteilt wird, worauf es letztlich ankommt. Da ist nichts gestelzt.
Also Spickzettel für morgenfrüh: Kaffee, Tee, Milch, Eier, Aufschnitt (keine Wurst, kein Fleisch), Obst, Joghurt, Müsli, Marmelade, Honig, zwei Zeitungen, Garten wässern, Laufsachen einpacken, Auto starten, 167 km fahren (1 Std. 38 Min.), wohlfühlen für 3 Tage in - Leipzig. Ihr kennt meine Lobeshymnen aus früheren Kolumnen.
Auf weitere Notizen in diesen Fehltagen wird dann verzichtet.
Horst
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