Wenn die bunten Blätter rascheln
Die Jahreszeiten, sie kommen und gehen, wie schon immer in der sich drehenden Welt. Nichts ist von ewiger Dauer und die stetige Wiederkehr mancher Ereignisse, die wir gewohnt sind, ändern daran nichts. Was wäre, wenn sich der Jahreszeitenwechsel plötzlich nicht mehr im regelmäßigen Vierteljahresrhythmus bewegen würde? Beispielsweise zwei Monate Winter, drei Monate Frühling, fünf Monate Sommer und zwei Monate Herbst. Ein Vorschlag. Ha, ich höre sie schon, die übereifrigen Befürworter aus dem Bereich der Sonnenanbeter*innen mit „Gut so“. Klimaveränderung, ja, gerne, nur nicht ins Kalte. Doch halt! Auf keinen Fall nur Wärme, wie am Äquator.
Man muss nicht Klimatologe sein oder Greta Thunberg heißen, die fortschreitende Welterwärmung birgt, wie wir inzwischen wohl alle wissen, für unseren Erdball und damit für alle Bewohner eine so große Gefahr, dass wir gar nicht anders können, als alles zu tun, um den sich abzeichnenden Klimawandel noch aufzuhalten. Die letzten 14 Tage im Oktober ergaben ein ungutes Omen: 20, 22, ja, 28 ° C. Das ist kein Herbst, wie wir ihn kennen.
Von klein auf - bis heute: Winter - Schnee, Frühling - Blüten, Sommer - Freibad, Herbst - buntes Laub, so sollte es sein. Und nun, kommt die Welt durcheinander. Nicht minder, unsere ganz kleine Welt des Sports mit der speziellen Ausrichtung des Laufens, die ich hier anspreche. Was tun wir? Wir hören oder lesen den Wetterbericht und nehmen ihn so hin, wie er uns zu Gehör oder vor die Augen kommt. Gelaufen wird ohnehin bei jedem Wetter. Da helfen auch keine Bitten um „einwandfreie, unbeschwerte Naturereignisse“, insbesondere angepasste Temperaturen. Es ist so wie es ist. Daniel Düsentrieb mit seinem Beregnungsflugzeug oder dem Wolkenabschneider ist überflüssig. Was wir wollen ist: Natur, wie sie ist und nicht von uns geschändet.
Und so war es, als wäre unsere Bitte wenigstens gestern an unserem Traum-Herbsttag in Erfüllung gegangen. Ich mag es nicht zum zigsten Mal zu beschreiben, aber zur Einstimmung: Schifffahrt, 4 km, 20 Minuten, Anlandung in Kladow. Nicht sieben, nein, acht waren wir, seit wir Iki als sympathischen Zugang mit offenen Armen empfangen haben.
Leichter Wind, Sonnenschein, später ein paar Tröpfchen, ein sehr angenehmes Laufgefühl. Obwohl wir Kladow inzwischen bereits ein bisschen besser kennen, vertrauen wir besser auf Gert, der hier Dauerwohnrecht genießt. Zuerst – brutal – vom Wasser 200 m hoch (Zugspitzniveau), links ab in Gassen, weiter rechts und so weiter. Namen sollen hier keine Rolle spielen, denn der Genuss, entlang dieser kaum frequentierten Sträßchen zu laufen, an soliden Einfamilienhäusern vorbei, ist vortrefflich. Die einzelnen Abzweige ergeben Feld- und Durchgangswege, manchmal kaum wahrnehmbar. Man ist hier quasi unbeobachtet. Und mir nichts, dir nichts sind wir am See. Am Groß- Glienicker See. Dass Wasser ist noch warm, grundwassergespeist. Die Lust, noch rein zu hopsen, ist nicht allgegenwärtig, schließlich schreiben wir November, den 3. Und wie gesagt, den Sommer will niemand tatsächlich verlängern.
Dann gibt es den Grenz-(ehemaligen Mauer-) Weg, heute, ein Schritt voran, ist der Wechsel ins nächste Bundesland getan. Dabei ist für Potsdam/Brandenburg keine Umgewöhnung nötig. Es ist wie zuhause. Wald. Ja, aber was für einer! Unser Grunewald ist trotz fleißiger Mischwald-Erneuerung noch immer Jahrzehnte von der Vollendung entfernt. In den Sacrower Gefilden längs des gleichnamigen Sees (1,07 km²) ist endlich das Gefühl unserer herbstlichen Sehnsucht so gestillt, dass eine ursprünglich geplante Petition an die Wettergötter unterbleiben konnte. Wir hatten es, das Blätterrascheln, zentimeterhoch. Ich sehe sie vor mir, Marita, sie pflügte sich mit den Laufschuhen förmlich durch die luftig angehäuften Blätterschichten, es stob links und rechts im bunten Gemisch der Ahorn, Buchen, Eichen und Birken. Nun soll nur noch jemand sagen: Kindisch. Meinetwegen oder besser, gerade drum.
Es macht einfach Spaß, die simple Losgelöstheit vom normalen Alltagskram, kein bisschen Haushalt, Garten, Schreibtisch, nix gar nichts, nur laufen durch die Stille am See bis zum Örtchen Sacrow.
Am liebsten hätte es weiter gehen müssen, bis wir Potsdam erreichen. Kommt vielleicht irgendwann. Unser Rückweg ließ jedoch nichts vermissen, was die Abgeschiedenheit und die Naturverbundenheit noch stärker unterstrichen hätte. Uns hatte nämlich das Westufer der Havel bereits gefangen. Mit dem bereits bekannten, schmalen Uferweg, der am Anfang mit dem schmunzelnden Unterlassungs- schild warb „Hier können Sie dazu beitragen, ihre Haushaltskasse nicht zu schädigen, denn mit unberechtigtem Abladen von Abraum, Müll oder sonstigen Hinterlassenschaften erwartet Sie ein hoher gebührenpflichtiger Bescheid des Naturflächenamtes.“
Also ehrlich, selbst dem verlorengegangenen Papiertaschentuch hätte unsere Sorge gegolten. Nur auf die zahlreichen Wurzeln = Stolperstellen war zu achten. Kurzum: Uferzone, Schlängelweg, vielleicht 2 km, dann erreichen wir wieder den Ortsteil Kladow. Noch einen km weiter laufen wir an einem der schönsten Gärten Berlins vorbei. Landhausgarten Dr. Max Fraenkel; Lüdickeweg 1, 14089 Berlin. Wer noch nicht dort war, unbedingt vormerken. Im Winter allerdings geschlossen. Wird es wärmer, draußen Kaffee KAFFEE trinken. Ist noch schärfer als bei Liebermann am Wannsee und kostet keinen Eintritt.
Noch einmal knapp 1,7 km, schon hat uns die Promenade Imchenallee wieder. Der Dampfer nach Wannsee wartet noch 10 Minuten auf uns. Den Stehkaffee und das vorgezogene Stollenkonfekt von Gert quetschen wir uns noch rein, dann sagen wir Tschüss und strahlen mit kauendem, aber vermaskiertem Gesicht (Pflicht auf der Fähre).
War einfach toll. Immer wieder anders. Ehe ich`s vergesse: 12, 8 km, ein Spaziergang, nicht ganz.
Horst