Wie ich meinen Streckenrekord in Angriff nahm und warum ausgerechnet die Deutsche Bahn mitgeholfen hatFelix hat geschrieben: wenn überhaupt nur ganz knapp über 200km.
...das war der Plan von gestern Abend. Heute morgen war ich eigentlich guter Dinge und entschied mich spontan der Tour von letzter Woche nochmal einen draufzusetzen und sogar meinen alten Streckenrekord (309,xx km) in Angriff zu nehmen.
Pünktlich um 0700 stolperte ich mit Rad aus meiner Haustür. Da diese Uhrzeit ja eigentlich noch „vorm uffstehn“ ist, war ich entsprechend schlaftrunken.
Aber kein Problem: mein Rad weiß ja wo es langgeht - Strecke sollte ja größtenteils die gleiche wie die von letzter Woche sein.
Die ersten 60km liefen allerdings nicht ganz rund. Irgendwie fehlte die Kraft und ich kam nicht richtig in den Tritt. Hmmmm, so wird das wohl nichts mehr heute. Also in Fürstenwalde erstmal ab zum Bäcker, eine Streußelschnecke mit extradicker Glasur und dazu ne Cola als zweites Frühstück verputzen
und dann mit frischen Zuckerschub wieder aufs Rad schwingen... und auf einmal lief alles wie geschmiert. Warum denn nicht gleich so?
Ab Müllrose wich ich von der alten Route ab, nahm Kurs auf Eisenhüttenstadt und nahm ab hier den Oderdeich Richtung Norden unter die Räder.
Auf dem Deich musste ich dann feststellen, dass diese Fahrradroute perfektes Wetter braucht. Dazu zähle ich nicht nur „Sonne/Regen Ja/Nein?“ und „Temperatur“. Viel wichtiger ist hier noch die Windrichtung.
Ich hatte heute 120km lang feinsten Gegenwind. Macht sich auf dem ungeschützten Deich natürlich besonders toll. Zum Ende hin war der Wind sogar so heftig, dass sogar das Rumgequäle vom Spreewald Duathlon jetzt nur noch wie ein lustiger Kindergeburtstag erscheint.
Langsam aber sicher wurde es dann auch immer dunkler, denn es zogen bedrohliche Wolken auf, auf die ich auch noch direkt zusteuerte. Regen wäre mir vielleicht sogar egal gewesen, aber auf Gewitter kann ich dann doch gerne verzichten.
Ich war mir zwischenzeitlich nicht ganz sicher, ob ich es überhaupt noch bis zum nächsten Bahnhof schaffen würde und überlegte sogar, umzudrehen und knapp 70km zurück nach Frankfurt(Oder) zu radeln. Ich zweifelte und zögerte solange, bis der nächste Bahnhof dann doch nur noch einen Katzensprung entfernt war und zog die Richtung einfach knallhart durch. Die dunkle Wolkenfront zog dann sogar an mir vorbei und ich bekam nicht einen Tropfen ab.
Nachdem ich mich von der Oder trennte radelte ich durch Bad Freienwalde und dachte mir bzgl. des Regens: „Ha, da hab ich ja nochmal Glück gehabt!“
Diesen Gedanken habe ich grade noch zu Ende denken können als es zwei Sekunden später im direkten Sichtfeld tierisch blitzte.
„Najut, dann war es das wohl mit der Tour heute – da kommt ja gleich der Bahnhof“
Am Bahnhof angekommen, musste ich feststellen, dass hier in absehbarer Zeit wohl kein Zug vorbeikommt. Ich bin mir nichtmal sicher, ob der Bahnhof überhaupt noch in Betrieb war.
Was solls, das Gewitter war noch relativ weit weg und ein Zwischenstopp bei Verwandten nur noch 10min entfernt.
Nach einer kurzen Pause stand ich dann vor der Wahl.
- Richtung Bernau über freie Felder und direkt aufs Gewitter zu.
- Richtung Eberswalde bei strahlend blauen Himmel
Ich mag vielleicht ein wenig wahnsinnig sein, total bekloppt bin ich dann aber doch nicht.
Und so ging es auf nach Eberswalde.
Wann der Zug kommt, wusste ich inzwischen. Ich hatte noch viel Zeit und hielt erstmal an einer Dönerbude.
Hier wurde abermals bestätigt: Döner kriegen die aus irgendeinen Grund außerhalb von Berlin einfach nicht hin. Ich hatte noch nie ein solch seltsames Dönererlebnis:
- Brot war labrig
- Soße wässrig
- Fleisch trocken und zäh
- mehr Petersilie als Salat drauf
-
Bedienung war eine deutsche FrauWie dem auch sei, am Bahnhof kam ich dann mit 280km auf der Uhr an und erklärte die Tour schon für beendet. Doch da hatte ich die Rechnung noch nicht mit der Deutschen Bahn gemacht.
Ich war schon ganz entnervt als ich für zwei Tickets (Icke+Rad), zweimal Start-/Zielbahnhof und Datum eintippen musste.. Aber ist schon klar - ist ja auch normal, dass irgendjemand irgendwo hinfährt und sein Rad woanders hin.
Zittrige Wurstfinger machten die Eingabe auch nicht besser.
Dann der Schock: Die wollen für die 10min Fahrt bis Bernau (ab da greift mein Semesterticket) tatsächlich 7,30EUR?
Pffff, was solls. Dann ist das eben so. Also rein mit meinem 20Eur-Schein. Und wieder raus mit dem 20Eur-Schein. Und nochmal rein mit dem 20Eur-Schein . Das Spiel ging dann ein paar mal hin und her, bis ich den fetten Hinweis bemerkte, dass der Automat nur Fünfer und Zehner akzeptiert. Ja Klasse.
„Dann koof ick halt nen Ticket beim Schaffner, dit wird ja wohl noch jehn“. Der zweite Teil lies mich dann doch kurz selbst zweifeln. Also Smartphone raus und googeln – Fazit: „Ne, dit jeht nich mehr“.
Ja geil. Ich steh jetzt also hier mit genügend Geld in der Tasche und kann es trotzdem nicht bezahlen. Ticketschalter im Bahnhof war schon zu.
Sämtliche Versuche den Schein zu wechseln scheiterten. Bestes Kommentar (O-Ton): „Jeld wechseln? Seh ick aus wie ne Bank?“
Die ganze Aktion hatte letztendlich so lange gedauert, dass die fröhlichen Gewitterwölkchen schon längst weitergezogen sind und ich auf die Idee kam, doch noch nach Bernau radeln zu können.
Und so ging es dann doch noch weiter. Heil und trocken in Bernau angekommen gab es dann wieder den Regio zurück durch die Stadt und ein kaltes Bier
Ergebnis des heutigen Tages und neuer persönlicher Rekord: 315,5 km
Schnitt war nicht so berauschend (28,8). Ich glaub, dass muss ich wohl nochmal fahren. Dann aber bei Südwind
Sonstige Ereignisse:
Scheinbar hatte Polar Radliebende wie mich nicht im Sinn. Der Akku meiner Uhr war heute schon vor mir alle.
Außerdem hatte ich heute mit unterschiedlichsten Wegelagerern zu kämpfen.
An der Spree konnte man, aber nur wenn man ganz genau hingeguckt, noch die Sturmschäden der letzten Woche erkennen.
An der Oder hatte ich es mit blökenden Vierbeinern zu tun.
Wenig später hatte ich es mit blökenden Zweibeinern zu tun.
Auf einem sehr schmalen Weg (ca. 1,20m breit) kam mir eine nicht enden wollende Gruppen von grau melierten Radfahrern entgegen.
Kennt noch jemand die Computerspielreihe „Lemmings“? So ungefähr kam es mir vor – es nahm einfach kein Ende.
Jedenfalls habe ich es mir erlaubt für jeden dieser Radfahrer einen Namen auszudenken. Jeder zweite von ihnen muss wohl „Hans“ heißen...
...mit Nachnamen „Guck-in-die-Luft“.
Gegenverkehr?
Noch nie gehört!
...und überhaupt ist nebeneinanderfahren ja das Größte
Nach einer gefühlten Ewigkeit war dann doch ein Ende in Sicht. Doch zu früh gefreut, anmotzen lassen musste ich mich dann doch noch. „Rase hier nicht so rum! Eine Frechheit ist das!“
Daraufhin war ich doch sehr verdutzt. Ich war mir ziemlich sicher hier nicht rumzurasen und ein kurzer prüfender Blick nach unten bestätigte das: Ich stand mit beiden Füßen fest auf dem Boden...neben dem Weg...schon seit gefühlt drei Stunden.
Im nachhinein bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als das ganze als Kompliment aufzufassen.
Ich sehe halt schon im Stand verdammt schnell aus.
Zuletzt geändert von Felix am 03.05.2017, 23:55, insgesamt 1-mal geändert.