Zeitmagazin · Christine Meffert
Die Vorläuferin
Über 1500 Meter war Maria Strickling einst die schnellste Frau der Bundesrepublik. Dann verließ sie die Bahn – und wurde Trainerin. Wie das Laufen ein Leben prägt
Als Maria Strickling 1941 auf die Welt kommt, ist ihr Vater seit Monaten tot, Frauen tragen nun manchmal Hosen. Während des Krieges müssen sie mit dem Leben mehr denn je ohne Männer fertigwerden.
Die nächsten Olympischen Spiele finden erst 1948 statt, doch sosehr sich die Welt verändert hat – auch dieses Mal dürfen Frauen nicht die Mittelstrecken laufen. Die 800 und die 1500 Meter, so glaubt man, sind einfach zu viel für sie.
Maria Strickling glaubte das nie. Sie ist Läuferin, Vorläuferin sogar, sie hat getan, was Frauen vor ihr kaum möglich war. Vergangenes Jahr ist sie 80 geworden, wirkt jünger und auf zurückhaltende Weise selbstgewiss, sagt nicht so oft »ich«, obwohl sie über 1500 Meter einmal die schnellste Frau der Bundesrepublik war.
Kraft, Ausdauer und eine gewisse Grundschnelligkeit brauche man dafür, sagt sie beim Kaffee mit ihrem Mann Rolf Strickling auf ihrer Gartenterrasse. Bei längeren Strecken könne man durch Fleiß einiges wettmachen, bei der Mittelstrecke weniger.
Wie ist es, sich etwas zu trauen, was einem kaum jemand zutraut? Und wie kam es, dass Waldniel, ihr kleiner Heimatort nahe der holländischen Grenze, zu einem weltbekannten Zentrum für Läuferinnen wurde?
Das Land hier ist flach, die nächstgrößere Stadt heißt Mönchengladbach. In Marias Kindheit bewohnt die Familie eine Haushälfte in der Rösler-Siedlung. Die gibt es heute noch, Rolf und Maria Strickling fahren einen gerne vorbei. Die Giebelhäuser sind nun geweißt, in schöner Regelmäßigkeit stehen sie da. Die Draht-Fabrik Rösler hat die Siedlung Anfang der Dreißiger für ihre Beschäftigten erbaut.
Marias Familie hat damals einen großen Garten, in dem Kirsch- und Apfelbäume wachsen, sie halten Kaninchen und Hühner. Ihre Mutter steht mit ihren vier Töchtern alleine da, sie arbeitet viel, bessert für andere alte Kleidung aus, strickt Unterwäsche und verhökert sie an die Bauern gegen Milch und Speck. »Die konnte alles«, sagt Maria Strickling – maximale Anerkennung von jemandem, der selten große Worte macht.
Nach dem Krieg quartieren sich die Amerikaner eine Weile in der Siedlung ein, die Bewohner müssen ausziehen und kommen bei Bauern in der Nähe unter. Ganz fettig sei der Küchenfußboden im Haus hinterher gewesen, weil sich die Amis am laufenden Band Eier mit Speck gebraten hätten.
In Maria Stricklings Wohnzimmer hängen ein paar Fotos von ihrem Vater. Sie habe sich schon manchmal gefragt, warum sie keinen Vater habe, aber gefehlt habe er ihr nicht, sie kannte es ja nicht anders.
Nachdem er eingezogen worden war, hatte er sich bei der Grundausbildung in Köln Blutblasen in den schweren Lederstiefeln gelaufen und starb im Lazarett an einer Blutvergiftung. An der Front war er nie.
Und dann erzählt sie noch, dass nur drei Monate nach dem Vater ihre nächstältere Schwester gestorben ist, sie war erst drei Jahre alt. Auch sie lernte Maria Strickling nicht kennen: Sie wurde erst nach dem Tod der Schwester geboren. Hätte die Schwester überlebt, wären sie fünf Mädchen gewesen. Es ist das einzige Mal während der langen Gespräche, dass Stricklings Stimme hart wird.
»Eine Volksfürsorgerin hat Bertha mitgenommen, vorgeblich um meine Mutter, die gerade verwitwet war und mit mir hochschwanger, zu entlasten. Berthas Entwicklung war verzögert, ›nicht abrichtungsfähig‹ hieß das in der Nazi-Zeit.«
Bertha starb nur einen Monat später, wohl an einer Lungenentzündung. In den Totenschein schrieb man »Idiotin«. »Erst viel später, da war ich schon lange erwachsen, habe ich erfahren, dass die die Kinder im Winter unbekleidet bei offenem Fenster im Bett liegen ließen. Die wollten die weghaben.« Ob die Mutter etwas davon erfahren hat, kann Maria Strickling nicht sagen. »Mit meiner Mutter haben wir darüber nicht geredet, das wurde weggedrängt. Für sie muss es sehr schwer gewesen sein.«
Wie war es, die Kleinste in diesem reinen Frauenhaushalt zu sein? »Meine Schwestern haben mich verwöhnt«, erzählt Maria Strickling. »Und wir Mädchen hatten alle Freiheiten.« Sie teilen sich ein Fahrrad, flitzen damit durch die Siedlung. Meist fahren sie zu zweit, manchmal sogar zu dritt: eine auf dem Gepäckträger, eine auf dem Sattel, und eine – die hat den schwierigsten Job – tritt im Stehen in die Pedale. Auch Rollschuh laufen sie auf den Betonplatten in der Siedlung; wer am weitesten über die Teer-Rillen dazwischen hüpfen kann, hat gewonnen.
Dass sie schneller ist als die anderen, merkt Maria in der Schule. Eine Bahn zum Laufen gibt es nicht, aber die Lehrer markieren 50-Meter-Etappen auf der Straße und stoppen die Zeit.
Als sie 14 ist, unternimmt sie mit den Pfadfindern einen Ausflug mit Übernachtung. Sie meldet sich sofort, als die Anführerin sagt: Wer beim Waldlauf mitmacht, ist vom Küchendienst befreit. Ein paar Tage später klingelt der Landarzt Ernst van Aaken an der Tür der Familie. Maria solle bei ihm im Verein trainieren, er habe gesehen, wie gut sie beim Waldlauf war. Und sie will gern mitmachen. Es gibt sonst nicht viel in dieser Zeit, Turnen mag sie nicht, Tennis können sich die Stricklings nicht leisten, und so wird Maria 1955 durch Zufall Mitglied beim OSC Waldniel.
Ihre Familie unterstützt sie. Eigentlich müssen alle vier Schwestern sonntags abwechselnd kochen, um die Mutter zu entlasten, aber Maria darf zum Training. »Meine älteren Schwestern waren damit einverstanden. Sie haben nur gewitzelt: Der arme Mann, den du mal heiratest.« Die Schnelligkeit, so glaubt Maria Strickling, hat sie wohl von ihrer Mutter, die sei in der Schule auch immer bei den Schnellsten gewesen.
Ernst van Aaken wird als »Laufdoktor« und Erfinder des »Waldnieler Dauerlauftrainings« in den nächsten Jahren weit über die Region hinaus bekannt werden. Lange vor der Erfindung des Joggings in den Sechzigerjahren propagiert er den »Dauerlauf«, das Laufen mit gemäßigten Tempo, »laufen, ohne zu schnaufen«, nennt es Maria Strickling. Auch für Sportler empfiehlt van Aaken seine Ausdauermethode, statt des gängigen Intervalltrainings mit seinen sehr intensiven Belastungsphasen. Und, eine Seltenheit in den Fünfzigern: Er setzt sich für den Frauensport ein.
Noch in der Nachkriegszeit verkündet mancher Mediziner, dass Frauen unfruchtbar werden können vom Laufen, dass sie womöglich ihr Ungeborenes verlieren, es wird gewarnt vor Haarwuchs auf der Brust und Überanstrengung. »Schon allein, dass der Busen beim Laufen rauf- und runterschwappt, fanden viele gar nicht gut«, sagt Maria Strickling trocken. Doch Ernst van Aaken glaubt sogar, dass Frauen leistungsfähiger seien, dass sie sich größeren Qualen unterziehen könnten, um etwas zu erreichen. Egoistisch sei er gewesen, auch grob habe er werden können, wenn es nicht nach ihm ging, erinnert sich Strickling. Aber er habe an die Sportlerinnen geglaubt. Mehrmals in der Woche trainiert er mit den Läuferinnen und Läufern vom OSC Waldniel lange Strecken, in der Regel zehn Kilometer.
Heute, da man überall und zu jeder Zeit Joggerinnen sieht, kann man sich kaum noch vorstellen, dass das mal anders war. Aber damals auf dem Land sind die Läuferinnen eine Art Sensation, die nicht jedem in den Kram passt.
Dumme Sprüche werden ihnen hinterhergerufen, wenn sie ihre Runden drehen. Schaut mal, Mädchen, ja wo laufen sie denn! Hopp, hopp! Eins, zwei, eins, zwei! Andere spotten: Der van Aaken züchtet Zátopeks mit Zöpfen. Der Tscheche Emil Zátopek ist damals ein legendärer Langstreckenläufer.
»Wir haben das ignoriert«, sagt Maria Strickling mit großem Gleichmut, als habe es sich um schlechtes Wetter gehandelt. Haben diese Kleinmachereien sie vielleicht auch deshalb relativ kaltgelassen, weil sie aus einem reinen Frauenhaushalt stammt? Das sei schon möglich, sagt sie. Außerdem habe das nach einiger Zeit auch aufgehört. Man gewöhnt sich an die Läuferinnen.
Nach der Schule macht Maria Strickling eine Lehre beim Kaufhof in Mönchengladbach. Morgens um acht nimmt sie den Bus; wenn sie abends wieder nach Hause kommt, zieht sie sich um und geht um halb neun noch laufen – im Winter ist es da schon lange dunkel. »Meist warteten wir, bis der Doktor in seiner Praxis fertig war, und haben ihn dann abgeholt für unsere Runde um Waldniel herum.« Um zehn Uhr kommt sie schließlich nach Hause. Für sie sei das keine Verpflichtung gewesen, sagt sie, »es hat mir einfach Spaß gemacht«.
Als Jugendliche läuft sie dreimal die Woche, später geht sie hoch auf fünfmal, »das muss man, wenn man richtig mitmischen will«. Und man müsse bereit sein, sich zu quälen, sich durchzubeißen, auch im Wettbewerb. Von irgendwoher, sagt sie, komme dann auch wieder die Kraft.
Beim Kaufhof hat man Verständnis für ihren Sport, sie darf freinehmen für die Wettkämpfe, in der Firmenzeitung wird über sie berichtet. »Die waren stolz auf mich.« Sie reist viel herum in dieser Zeit, ist unterwegs zu Wettkämpfen mit anderen jungen Sportlerinnen. »Das war eine schöne Kameradschaft«, sagt sie.
1964 heiratet sie Rolf Strickling. Sie haben sich im Verein kennengelernt. Er läuft Langstrecken und engagiert sich beim OSC Waldniel. Bis heute ist er im Vorstand und leitet die Geschäftsstelle. »Unser Leben haben wir am Sport ausgerichtet«, sagt er; erst vor zwei Jahren, mit 80, hat er das Laufen aufgegeben. Jetzt fährt er Fahrrad, um sich fit zu halten.
In den Sechzigerjahren begleitet er Maria zu den meisten Wettkämpfen. Sie emanzipiert sich von van Aaken und beginnt, bei einem Sportlehrer zu trainieren, der mehr Tempoläufe ins Training einstreut. Dass sie bei den Wettkämpfen im Rampenlicht stand, habe ihm nichts ausgemacht, sagt Rolf Strickling. »Ich war Fahrer und Betreuer, beim Training mischte ich mich nicht ein, das hätte ich mir gar nicht zugetraut.« Und seine Frau wird immer schneller.
War sie sehr ehrgeizig?
Da muss sie überlegen. »Gewinnen war gut. Aber ich habe es mir immer so bequem gemacht wie möglich. Wenn ich mit einer langsameren Zeit auch gewinnen konnte, bin ich langsamer gelaufen. Ich war nicht so gestrickt, dass ich jedes Mal Bestzeit laufen musste.«
1969 ist ihr Jahr: Sie schafft
200 Meter in 26,4 Sekunden,
400 Meter in 56,4 Sekunden,
800 Meter in 2:06,6 Minuten und
1500 Meter in 4:24,4 Minuten.
Mit ihrer Leistung über 1500 Meter läuft sie 1969 Rekord in der Bundesrepublik Deutschland. Und sie qualifiziert sich für die Olympischen Spiele 1972, es sind die ersten überhaupt, bei denen Frauen die Mittelstrecke von 1500 Metern laufen dürfen. Ihre Sportlerinnenkarriere hat den Höhepunkt erreicht.
Doch dann wird Maria Strickling schwanger. Im Januar 1971 kommt ihre Tochter zur Welt. Und die Zeit danach ist zu kurz, um wieder an ihre alten Leistungen anzuknüpfen. Die Spiele finden ohne sie statt.
»Letztlich überwog die Freude über meine Tochter die Enttäuschung«, sagt sie heute. »Natürlich wäre es schön gewesen, bei den Spielen zu laufen, aber die anderen Läuferinnen haben 1972 alle so einen Sprung gemacht, ich weiß sowieso nicht, ob ich da hätte mithalten können.«
Damals ist Maria Strickling 31, sie läuft noch einige Wettkämpfe. Aber vor allem beschließt sie, ihr Wissen weiterzugeben: Sie will die Kinder von Waldniel schnell machen. »Es ist mir eigentlich nicht schwergefallen, ins Trainerfach zu wechseln«, sagt sie. Die kleine Tochter nimmt sie mit auf den Sportplatz, sobald es geht. Oder Rolf Strickling kümmert sich um das Kind.
Im selben Jahr, 1972, hat der Mann, der sie zum Laufen gebracht hat, einen schrecklichen Unfall. Van Aaken dreht gerade eine seiner spätabendlichen Laufrunden, es ist dunkel und regnet. Ein britischer Soldat, auf dem Weg ins Krankenhaus zur Geburt seines Kindes, fährt mit dem Auto in ihn hinein. Dem Mann, der sein Leben dem Laufen gewidmet hat, müssen beide Beine amputiert werden. Danach sei er fast noch fanatischer für seine Sache eingetreten, sagt Maria Strickling. In den folgenden Jahren macht van Aaken das kleine Waldniel immer bekannter. Eines seiner großen Ziele ist, dass Frauen bei Olympia endlich Marathon laufen dürfen.
Er organisiert Frauenmarathon-Läufe in Waldniel und nimmt mit der Amerikanerin Kathrine Switzer Kontakt auf, der Frau, die sich 1967 in den Boston-Marathon schmuggelte. Damals ist es Frauen noch verboten, an Marathonläufen, wie es sie heute in vielen Großstädten gibt, teilzunehmen. Die 20-Jährige tut es trotzdem, der Renndirektor versucht mit Gewalt, sie aus dem Rennen zu ziehen, ein Pressefoto von diesem Vorfall wird weltbekannt. Für sie, sagt Switzer Jahre danach, zähle der Kampf der Frauen um einen Platz im Sport zu den großen kulturellen Revolutionen.
Van Aaken holt Switzer nach Waldniel, und die beiden organisieren 1979 zusammen mit den Stricklings das »Welttreffen der Marathonläuferinnen«, finanziert von der Kosmetikfirma Avon. Es wird ein Riesentamtam in der sonst ziemlich ruhigen Gegend: Tribünen werden errichtet, die internationale Presse ist vor Ort, sogar ein Hubschrauber wird angemietet, und schließlich laufen 188 Athletinnen aus aller Welt ins Ziel ein.
Im Sommer 1984 dürfen Frauen bei den Olympischen Spielen in Los Angeles erstmals den Marathon laufen. Van Aaken erlebt es nicht mehr, er ist ein paar Monate vorher gestorben.
Auch nach seinem Tod engagieren sich Maria und Rolf Strickling weiter für den Verein. Rolf Strickling hat erst jetzt im Winter 2021 die Leitung der Frauensportgruppe abgegeben, die er in den Sechzigerjahren gegründet hat, darf aber selbst immer noch mitmachen.
Und Maria Strickling hat ein halbes Jahrhundert lang alle Altersklassen trainiert, in den vergangenen Jahren vor allem Jugendliche. Aber auch der Herzsport-Gruppe bleibt sie treu, die sie in den Achtzigerjahren zusammen mit einem Mediziner gegründet hat.
Fast die Hälfte ihrer Abende hat sie in diesen 50 Jahren im Dr. Ernst von Aaken-Stadion verbracht, es ist ihr Zuhause, das merkt man, wenn sie einen dort herumführt. Ein paar Kinder spielen Fußball in der Abendsonne, einige Läufer drehen ihre Runden. Eine Frau, Mitte 50, bereitet sich auf ihren nächsten Marathon vor. »Die hat als Kind auch bei mir angefangen«, sagt Maria Strickling und ruft einen Gruß.
»Ob jemand das Talent zum Laufen hat, sieht man sofort«, sagt sie, »am Laufstil, an der Körperspannung, an der Grundschnelligkeit. Man läuft sich ja zuerst einmal ein, wärmt sich auf, macht ein paar Tempoläufe, so mache ich das jedenfalls. Dann lässt man sie zum Beispiel eine Pyramide laufen, also immer längere Strecken oder eine Serie von Sprints. Wenn die in der Gruppe laufen, sieht man sehr schnell, wer noch die Kraft hat, mitzugehen.« Bei ihrem Training mischt Maria Strickling die Ausdauermethode und das Intervalltraining. Ganz ohne Tempoläufe geht es ihrer Meinung nach nicht, da weicht sie von der Meinung ihres alten Mentors Ernst van Aaken ab.
Zwei Mädchen und zwei Jungen hat sie auf den Mittelstrecken bis zum deutschen Meistertitel gebracht. Der letzte ist Joel Etienne Schmitz. Er ist elf, als sie anfangen, zusammenzuarbeiten, Maria ist 75. »Er war in einem Alter, in dem er das akzeptiert hat. Ich kenne seine Oma, die ist wahrscheinlich ähnlich alt«, sagt sie nüchtern. »Der Sportler muss Vertrauen zum Trainer haben. Wenn er das nicht hat, kann man gleich aufhören.«
Auch an den Wochenenden ist sie im Einsatz. »Wenn man so eine Aufgabe übernimmt und junge Leute trainiert, dann hat man auch eine Verantwortung«, sagt sie, »und muss auch zu den Wettkämpfen gehen. Man freut sich mit ihnen, aber es gibt natürlich auch Rückschläge. Dann muss man das erklären und auch ein bisschen Psychologe sein.«
Sie selbst läuft, bis sie Mitte siebzig ist, dann bricht sie sich den Fuß und bekommt Knieprobleme. »Das muss man im Kopf verarbeiten«, sagt sie. Fortan begleitet sie ihre Laufgruppen mit dem Fahrrad. »Ich kann gut einen Abschnitt beenden«, sagt sie. »Es macht ja auch keinen Spaß, wenn man nicht mehr mitkommt.«
Wenn sie zurückschaut, was hat ihr das Laufen gegeben?
»Ich habe dabei immer gut meine Gedanken ordnen können, und außerdem macht es einfach süchtig«, antwortet sie. »Und wenn man Erfolg hat, dann spornt einen das an – ich wollte einfach sehen, wie weit ich komme.« Sie denkt eine Weile nach und sagt dann noch: »Es war einfach ein Glücksgefühl.«
Im vergangenen Winter ist Maria Strickling auf der Terrasse ausgerutscht. Erst vor Kurzem wurden Schienen und Schrauben aus dem Bein entfernt. »Vielleicht«, sagt sie, »trete ich nun ein bisschen kürzer und bin nur noch ab und an beim Training dabei.« Ein Verlust für den Verein, es gibt nicht viele, die fast jeden Tag auf dem Sportplatz stehen für eine geringe Aufwandsentschädigung. Auch in ihrer Zeit als Aktive hat Maria Strickling übrigens kein Geld mit ihrem Sport verdient.
Eine letzte Frage: War das Laufen für sie auch eine Art Revolution, eine Befreiung, wie für Kathrine Switzer?
Das würde sie so nicht sagen. »Aber damals hatte jeder hier eine Zeitung, und wenn ich gewonnen hatte, war ein Bild von mir drin, das war schön. Das hat Selbstvertrauen gegeben. Es war auch gut, zu merken, dass man mithalten kann. Man war anders, man war eben schnell.«
Foto Julia Sellmann
Bis heute trainiert Maria Strickling beim OSC Waldniel Jugendliche, sie selbst ist seit 1955 Mitglied
Foto Julia Sellmann
Maria Strickling mit ihren Schützlingen vom OSC Waldniel
Foto Julia Sellmann Foto Julia Sellmann
Im Dr. Ernst van Aaken-Stadion in Waldniel hat Maria Strickling drei bis vier Abende die Woche verbracht
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