Two Oceans Race in Cape Town
Spät aber doch, mein Bericht über das Two Oceans Race vor über einer Woche.
Mit sechs Mitläufer:innen vom Lauftreff Bernd Hübner hatte ich mich auf den Weg nach Kapstadt zu meinem allerersten Ultra gemacht. Vorher war ich zwar schon an die 50 km in den letzten Jahren herangelaufen, aber nie mehr.
Im Vorfeld hatten wir einige schöne Tage in Südafrika und unser Laufpensum massiv runtergefahren. Die Nachrichten vom Veranstalter waren sehr widersprüchlich und wir wussten weder, wieviel Höhenmeter wir exakt unterwegs sein würden, noch genau, wie Kleiderabgabe etc. von statten gehen würde. Da ich nie ausreichend trainiere ohne mir Ziele zu setzen, hatte ich mir vorgenommen möglichst die 6 Stunden zu unterschreiten. Da die zunächst angenommenen 550 Höhenmeter aber eher knapp 1000 werden würden, hatte ich aber große Zweifel, ob das nicht viel zu hoch ins Regal gegriffen war. Aber das war eh nicht wirklich wichtig, beim ersten Ultra sollte der Spaß im Vordergrund stehen. Trotzdem hatte ich eine Idee, wie ich die für mich unbekannte Distanz gestalten würde.
Früh gegen 3.30 Uhr war die Nacht vorbei. Gemeinsam aßen wir etwas und machten uns auf den Weg zu Fuß zum Start. Auf den 1,5 km gesellten sich immer mehr Läufer zu uns und wir fanden ohne Problem den Startbereich. Dort war es höchst simpel, Klamotten abzugeben (die wir aber alle zu Hause gelassen hatten), wir sieben hatten alle unterschiedliche Startzeiten und trennten uns bald nach der Ankunft. Einige von uns hatten nicht das Glück im Vorfeld weitestgehend gesund und verletzungsfrei gewesen zu sein, so dass doch viel Unsicherheit auf unsere Stirn geschrieben stand. Mit meiner gemeldeten Marathonzeit von 4:15 h musste ich mich recht weit hinten im Starterfeld einordnen. Einzig Christiane war in meinem Startblock. Kristin und Dieter starteten einige Minuten vor mir, Dagmar, Uwe und Achim einige Zeit hinter uns. 5:10 Uhr war der Startschuss für die ersten, dann in jeweils 2 Minuten Abstand die nächsten Gruppen, Christiane und ich gingen 5:24 Uhr auf die spärlich beleuchtete Strecke. Den ersten KM lief ich mit Christiane in 6:11, also eher langsam an. Dann versuchte ich mich an den deutlich langsameren Läufer:innen vorbei zu arbeiten und verabschiedete mich von Christiane, die es ruhiger angehen lassen wollte, aufgrundihrer Erkältung. Auch die beiden folgenden KM konnten nicht schnell sein, immer noch zu viel los auf der Strecke. Dann wurde es stockdunkel, da wir in einen Abschnitt wechselten, der Stromsperre hatte. Es war oft schwierig, die direkt vor mir laufenden Menschen zu sehen, aber ich nahm dennoch Tempo auf und lief die nächsten 10 km in einem Tempo unter 5:20 pro km, immer mit der Sorge zu stürzen auf Grund der schlechten Sicht. Dann dämmerte es langsam und ich nahm das erstmals in meinem Lauflleben mitgeführte Telefon raus und machte die ersten Fotos und Videos, den ich im Laufe des Rennens noch einige folgen ließ. Die Halbmarathondistanz durchquerte ich bei 1:54 h. Bis dahin war die Strecke flach. Die Höhenmeter würden noch kommen.
Aufgrund der Dunkelheit vorher wusste ich nicht, ob Dieter und Kristin noch vor mir lagen oder ob ich sie überholt hatte. Ich nahm an, dass ich sie noch treffen werde, falls ich mein Tempo noch eine weile halten könnte, allein schon wegen der Fotopausen, die mich immer wieder Zeit kosteten, auf die ich aber wegen der einzigartigen Strecke nicht verzichten wollte. Im Hellen waren nun auch Zuschauer an der Strecke und unterstützten uns lautstark. Bei km 22 stürzte ich über eine Erhebung im Asphalt, die den Mittelstreifen beleuchtete. Das linke Knie schmerzte stark, der Daumen war lädiert und auch der Ellenbogen hatte etwas abgekommen. Ich sollte im Ziel nicht der Einzige von uns sein, dem dieses Schicksal ereilte. Ich nahm nach dem ich mich aufrappelte etwas Tempo raus und beim nächsten Medizinzelt schaute ich herab und sah mein Knie stark bluten. Daher entschied ich mich das Zelt aufzusuchen und mich desinfizieren und behandeln zu lassen, was mich ca. 3 Minuten kostete, aber wichtig war, um Folgeschäden zu vermeiden. Danach ging es hoch auf die schönste Straße der Welt, den Chapman Drive. Mit Foto- und Videopausen war ich bei ca. 7:20 auf den Kilometern 28 bis 34. Ich fühlte mich weiterhin gut und auf Kurs. Die nächste Marke, die ich mit einer guten Zeit erreichen wollte, war der Marathon. Dabei half mir, dass es nun vier km bergab ging, die ich im Durchschnitt mit unter 5:25 pace laufen konnte. Kristin und Dieter waren immer noch nicht in meinem Blickfeld geraten und auch die „Hübis“, die hinter mir liefen, hatten mich bisher nicht eingeholt (das erwartete ich vor allem von Dagmar, aber erst im letzten Streckenabschnitt). Dann ging es wieder langsam bergauf. Bei km 42,2 zeigte meine Uhr 4:06 Stunden. Eine für mich im Vorfeld nicht vorstellbare Zeit, war ich doch die beiden letzten flachen Marathons in Frankfurt und Berlin aufgrund von Hitze (Frankfurt) und Trainingsrückstand (Berlin) langsamer gelaufen. Die offizielle Zeit des Veranstalters lag bei 4:08:35 Stunden. Damit war klar, dass ich für die letzte Strecke von 14 km über 1:50 Zeit hatte, um mein ehrgeiziges Ziel zu erreichen. Das sollte doch zu schaffen sein. Check. Seit KM 15 lief ich auf Cola des Veranstalters und hatte etwas Sorge, ob das meine Eingeweide so verarbeiten konnten. Nun merkte ich meine Beine langsam und auch der Rücken tat etwas weh aufgrund des ungewohnten Gewicht des Mobiltelefons. Grundsätzlich fühlte ich mich aber stark.
Dann ging es auf den zweiten Gipfel der Strecke, der mehr Höhenmeter als der Chapman Peak hatte. Ich hatte unseren erfahrenen Ultraläufer Klaus H. im Ohr, der uns für den Rennsteig eingebläut hatte, „wenn alle gehen, geh auch Du“. Auch meine Erfahrung vom Jerusalem Marathon half, wo ich auch schon auf der zweiten Streckenhälfte immer hoch gegangen war, statt zu laufen. Diese drei Kilometer hatten damit einen Schnitt von deutlich über 9 Minuten. Fast 90% aller Läufer:innen gingen. Kurz vor dem Gipfel der Strecke und dieses Anstiegs schwoll die Stimmung auf das absolute Hoch an und ich begann 100m vor dem Gipfel zu filmen und wieder zu laufen. Am höchsten Gipfel kamen mir die Tränen aufgrund der tollen Stimmung und fast sicheren Gewissheit, die sechs Stunden zu knacken. Der Rest von 9km mit einigen Erhebungen sollte doch wohl drin sein. Ein Rest Zweifel war da, denn nun kamen die Kilometer, die ich noch nie gelaufen war, da ja in der Vergangenheit bei km 48 immer Schluss war. Die Stimmung war gut. Die Verpflegung war weiterhin alle 4km mit Cola, Powerade und Wasser ausreichend und zwei Gels hatte ich auch noch für den Notfall. Dann meldete sich die linke Wade lautstark und ich ging ein Stück und dehnte sie immer wieder. Der Abstieg vom höchsten Gipfel war daher mit 6:10 pro KM nicht so schnell wie nach dem Chapmans Peak.
Schließlich ging es zurück in die Stadt, langsam merkte ich, wie erschöpft ich war und die Gehpausen an den Verpflegungsständen wurden länger. Dennoch hatte ich weiter Zeiten von ca. 6:10 pace pro KM.
Schließlich zeigte meine Uhr die Streckenlänge von 56 km. Aber noch kein Ziel in Sicht. Ein ,zwei Kurven noch, Zielgerade und dann war der Zielbogen da. Erleichtert und sehr zufrieden mit mir, drückte ich die Uhr bei 5:44:29 und 56,5 Kilometern mit einer Durchschnittspace von 6:06, ließ mir eine Medaille umhängen und ergaunerte mir eine zweite für den Fall, dass jemand aus unserem Team es nicht ins Ziel oder erst nach der Cut-off Zeit schaffen sollte. Dann kurzer Blick, ob ich jemanden von uns im Zielbereich erkennen konnte, aber kein roter Hübi zu sehen, und die Frage nach dem Medizinzelt im Ziel. Dahin begab ich mich dann auch geradewegs uns ließ mein Knie nochmals desinfizieren und verbinden. Der erste Verband war durchgeblutet. Dann raus aus dem Zelt und die anderen erneut suchen. Da kam mir auch schon Kristin entgegen. Auch Sie hatte es unter sechs Stunden geschafft und bei ihr war die rechte Seite noch stärker lädiert als meine linke. Ich musste sie unbemerkt überholt haben. Erschöpft und glücklich ließ ich mich auf den Rasen fallen und hielt Ausschau nach weiteren Hübis. Nach und nach trudelten alle glücklich und erschöpft ein und kamen alle in die Wertung und erhielten die schöne Medaille. Wie wunderbar. Der Cut-off war nur eine Notiz des Veranstalters, die dieser nicht einhielt und das auch aus meiner Sicht mit guten Grund. Wer es schafft, diese Distanz mit diesen Höhenmetern durchzustehen, hat den Respekt und eine Medaille verdient. Aus der Wetung zu fallen, sollte keine Option sein. Nachdem alle im Ziel waren, plagte den einen oder anderen noch Krämpfe in den Beinen und teilweise im Magen. Aber auch das war am nächsten Tag Geschichte. Der Schmerz geht, der Stolz bleibt.
Alles in allem sicherlich die beste Idee, den ersten Ultra dort zu machen. Eine wundervolle Strecke, 99% Asphalt, was mir entgegen kommt. Gute Stimmung. Vernünftige Organisation und Verpflegung auf der Strecke (nicht jedoch im Ziel!) in einem wunderbaren Land. Danke Südafrika, danke Cape Town.
Und schließlich haben wir so alle unseren Namensgeber Bernd Hübner nachgeeifert, der Mitte der Siebziger Jahre die Strecke in unter 4 Stunden absolviert hatte. Unfassbar. Aber selbst in meiner Altersklasse (50-59 Jahre) hatte das in diesem Jahr jemand geschafft. Ich bin sehr happy mit meiner Performance und alle anderen sechs Hübis waren es auch. Alle haben es geschafft, trotz Verletzungen im Vorfeld, trotz Erkältungen, trotz Stürzen.
Und nicht zu vergessen, drei von uns – mich eingeschlossen – sind jetzt erstmals über 50 km gelaufen und dürfen sich nun Ultras nennen.
Aber das ist ja nur ein Meilenstein gewesen auf dem Weg, der vor vielen uns in diesem Jahr liegt, und in knapp drei Wochen weitergehen wird. Der Jubliäums-Rennsteig-Lauf mit 74 Kilometern und fast 2000 Höhenmetern eine deutlich härtere Herausforderung. Alle von uns sieben werden mit vielen anderen Läufer:innen vom LT Bernd Hübner daran teilnehmen (fast alle werden 74km laufen, so auch ich). Bericht folgt.